Die Kronacher SPD gibt es seit 115 Jahren. Sie ist die älteste politische Organisation im Landkreis Kronach. Das schöne Jubiläum wurde am Sonntagnachmittag in der Veranstaltungs-Scheune des Cafés Kitsch gefeiert. Langjährige Mitglieder wurden geehrt.
„Die SPD ist dafür bekannt, dass sie für die Postulate Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit eintritt“, betonte SPD-Ortsvereinsvorsitzender Alexander Gröger, der zum kleinen Festakt zahlreiche Mandatsträger wie auch Vertreter verschiedener Ortsvereine begrüßen konnte. Leider habe die Parteispitze in Berlin diese Ziele etwas aus den Augen verloren. In der Politik gebe es viele Paradoxien. Es sei erklärtes Ziel der Partei beim letzten Bundestagswahlkampf gewesen, die Rüstungsexporte zu minimieren. Jetzt sei man einer der Staaten mit den höchsten Rüstungsexporten. Bezüglich des geplanten Freihandelsabkommens prangerte er an: „Einerseits wollen wir ein souveräner Staat sein, andererseits opfern wir unseren politischen Gestaltungsspielraum auf dem Tisch des Neoliberalismus oder den Konzerninteressen international agierender Konzerne.“ Um ihre ehemalige politische Stellung wieder einnehmen zu können, müsse die 1863 gegründete SPD - älteste Partei in Deutschland - wieder kämpferischer werden. „Wir müssen kontrovers über politische Inhalte diskutieren“, forderte er und verwies dabei auf lokaler Ebene beispielsweise auf den KWG-Verkauf.
Stadtverbandsvorsitzender Dr. Ralf Völkl hielt - unterlegt mit vielen historischen Fotos - einen informativen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der Kronacher SPD. „Das wichtigste ist der persönliche Umgang miteinander, auch wenn man nicht immer einer Meinung ist“, appellierte er. Beim Ringen um eine für die Gemeinschaft bestmögliche poltische Lösung gelte es, weiterhin an einem Strang zu ziehen. Die Anfänge der Sozialdemokratie lägen im Jahr 1878, als bei den Reichstagswahlen zwölf der 470 Stimmen auf die SPD entfielen. Tobias Wirth, der sich im Wahlverein zur Erzielung volkstümlicher Wahlen“ in Marktzeuln engagierte, erhielt von der „Fränkischen Tagespost“ der Ehrentitel „erster Sozialdemokrat in Kronach“. Der Ortsverein wurde am 18. November 1900 im Gasthaus „Goldener Hirsch“ gegründet, mit über 50 Mitgliedern sowie Gründungsvorstand Max Roßmell. Damals seien die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung der Arbeiter sehr schlecht gewesen. Die SPD habe sich für Verbesserungen eingesetzt – so später insbesondere Josef Seelmann als die Interessen-Vertreter der kleinen Leute, auch mit der Einrichtung eines Arbeitersekretariats. Er schaffte 1908 als erster Sozialdemokrat den Einzug in den Gemeinderat, dem er bis zum Verbot der SPD 1933 angehörte.
„Am 18. November 1945 erfolgte die Wiedergründung des Ortsvereins“, so Völkl. Hans Heinz war 1. Vorsitzender. Hauptziele waren die Arbeitsbeschaffung, die Wohnungs-und Nahrungsmittelversorgung sowie die Entnazifizierung. Bei den ersten freien Kommunalwahlen 1946 wurde die SPD zweitstärkste Partei. Zwei Jahre später konnte man mit Konrad Popp erstmals in Kronach den 1. Bürgermeister stellen - 22 Jahre lang bis 1970. In seine Amtszeit fiel die Integration vieler Vertriebener in der Stadt, für deren stark ansteigende Bevölkerung mit der Siedlung und dem Kreuzberg neue Baugebiete erschlossen wurden. Mit der Gründung der Kronacher Wohnungsbaugesellschaft, dem Aufbau einer modernen Wasser- und Abwasserversorgung oder dem Bau der Lucas-Cranach-Grundschule gelangen wichtige Infrastrukturprojekte.
Von 1990 bis 2008 stellte man mit Manfred Raum zum zweiten Mal in der Geschichte Kronachs den 1. Bürgermeister. Zentrale Projekte waren die Landesgartenschau Kronach 2002, der Ausbau des Schwimmbades zum Erlebnisbad CranaMare, die Innenstadtsanierung, die Kanalisierung des Fischbachtals, die Modernisierung von Kläranlage und Trinkwasserversorgung sowie viele kulturelle Höhepunkte. Gerhard Seuling war Bezirksrat sowie von 1999 bis 2004 Vizepräsident des oberfränkischen Bezirkstages. 1975 gründete sich eine Frauengruppe im SPD-Ortsverein unter Leitung von Erna Schimmer und Carola Lippold, sodass man 40-jähriges Jubiläum feiern könne. Seit der Gemeindegebietsreform 1978 gehören zum Stadtgebiet Kronach die Ortsvereine Fischbach, Gehülz, Höfles-Vogtendorf, Neuses und Ziegelerden sowie ab 1983 Gundelsdorf-Knellendorf-Glosberg und ab 1985 Friesen. „In den vergangenen 115 Jahren hat sich die SPD immer an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Das bleibt unsere wichtigste politische Arbeit“, resümierte Völkl.
Als progressive Kraft habe man auch im Landkreis Kronach gesellschaftpolitisch vieles zum Positiven bewegt. Die Herausforderungen blieben groß. Leider stelle er eine gewisse Gleichgültigkeit in der Gesellschaft gegenüber sozialen Themen fest, die einen nicht selbst beträfen. Aus dem derzeitigen Flüchtlingsstrom sollte man eine Lehre ziehen. „Europa hat viel zu lange zugeschaut, wie Unfrieden in der Welt gesät wird“, prangerte er an. Man müsse ein Zeichen für den Frieden setzen und sich zusammen an einen Tisch setzen. Leider hätten viele Staaten bislang nur ihre eigenen Interessen im Blick.
In ihren Grußworten würdigten der designierte Landratskandidat Norbert Gräbner sowie SPD-Kreisvorsitzender Dr. Ralf Pohl die im Ortsverein geleistete erfolgreiche Arbeit. Die Bürgermeister Konrad Popp und Manfred Raum hätten die Stadt weit nach vorne geführt. „Besonders schätze ich das LGS“, betonte Gräbner. Als man früher dort vorbeigefahren sei, habe man stets übereinander liegende Autowracks gesehen, bei denen Tropfen für Tropfen in das Erdreich und in den Fluss gerieselt seien. Mit dem LGS-Gelände habe man nicht nur ein Kleinod geschaffen, sondern auch einen Beitrag zum Schutz des Grundwassers geleistet. Pohl zeigte sich sicher, dass es den heutigen Sozialstaat in dieser Form wie auch wesentliche Errungenschaft der sozialen Marktwirtschaft ohne die SPD nicht geben würde – so wie auch den Mindestlohn. Obwohl die Flüchtlingsproblematik derzeit alle anderen Themenbereiche überlagere, dürfe man diese nicht aus den Augen verlieren – beispielsweise die Altersarmut. Sehr enttäuscht zeigte er sich von Europa, das er zu einer gemeinsamen solidarischen Flüchtlingspolitik aufrief. Die Ehrungen langjähriger Mitglieder wurden von Alexander Gröger mit der stellvertretenden Juso-Bezirksvorsitzenden Stefanie Gröger vorgenommen.
Ehrungen langjähriger Mitglieder – soweit anwesend: 25 Jahre: Thomas Hader, Brunhilde Lorenz, Thomas Welscher, Michael Weiler, Walter Seiffert, 40 Jahre: Edith Marr, Heidemarie Dölling, Edgar Thümlein, 50 Jahre: Otto Günnel, Alfred Welscher, Hans-Jürgen Schmitt, Hilmar Pudler.
Bericht und Bild: Heike Schülein