Der SPD-Ortsverein in Fischbach wird 100 Jahre alt. Ein Rückblick unter anderem auf ein Fußballspiel, das der SPD neue Mitglieder verschaffte, und darauf, wieso in Fischbach fast nur Männer ein SPD-Parteibuch besitzen.
Nein, was da gerade geschehen war, durfte nicht sein. Es ist der 14. März 2003, und Reinhard Autolny, damals Vorsitzender des SPD-Ortsvereins in Fischbach, verstand die Welt nicht mehr. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verkündete die Agenda 2010. "Ich bin kerzengerade vor dem Fernseher gesessen und war entsetzt über diese Rede", erzählt er. Für ihn, den Gewerkschafter, auf dessen Fenstersims im Wohnzimmer eine Büste von Karl Marx prangt, war das ein Schlag ins Gesicht. Dennoch blieb er seiner Partei treu, die ihm in dieser Zeit zwar keine politische Heimat gewesen sei, aber doch immerhin Obdach geboten habe. Autolny lacht laut, als er diesen Satz sagt.
Nicht nur ihm ist es so gegangen, die meisten Mitglieder im Fischbacher Ortsverein haben die Agenda-Politik laut Autolny abgelehnt. Heute, zehn Jahre später, sieht die Welt für die Fischbacher Sozialdemokraten besser aus.
Die Partei besinnt sich ihrer Wurzeln und fordert den Mindestlohn, und der Ortsverein Fischbach feiert 100. Geburtstag.
Fischbach sei eine Hochburg der Sozis im südlichen Landkreis, das behauptet zumindest ihr derzeitiger Vorsitzender, Thilo Moosmann. Allerdings bedurfte es dreier Anläufe, bis sich die Sozialdemokratie in Fischbach 1913 in Form des Ortsvereins endgültig formiert hatte - unterbrochen durch die Zeit des Nationalsozialismus, als die SPD ab 1933 verboten war. Soweit es Reinhard Autolny überblicken kann, gab es zu Beginn eine Hochphase der Fischbacher SPD: Ein Fußballturnier, das die Jugendorganisation der SPD im Landkreis veranstaltete, zog gut ein Dutzend Fischbacher in die Partei. "Es konnten nur SPD-Mitglieder mitspielen. Da sind damals auch eine ganze Menge Spieler aus der ersten Mannschaft des SV Fischbach in die SPD eingetreten." Nicht nur um des Fußballs Willen, sondern aus Überzeugung. Die Leute, die vor 40 Jahren in die Partei eintraten, "das ist momentan der Kern des Ortsvereins", fügt Thilo Moosmann hinzu.
16 Jahre lang, von 1987 bis 2003, prägte Reinhard Autolny den Ortsverein. "In der Zeit, als ich Vorsitzender war, haben wir in Fischbach für die SPD eine Hoch-Zeit erlebt." Manfred Raum (SPD) war Bürgermeister in Kronach und die Sozialdemokraten hatten die Mehrheit. "Fischbach hat in dieser Zeit die Kanalisation bekommen und den Kindergarten." Zusätzlich gab es eine Halle für den Fischbacher Kleintierzüchterverein. "Von diesen Erfolgen haben wir in dieser Zeit gelebt", erzählt Autolny. 27 Fischbacher waren damals SPD-Mitglied. Sowohl 1987 als auch 2003.
Kurios: "Als ich Vorsitzender wurde, war es ein reiner Männerverein." In den Ehefrauen der Mitglieder sah Autolny künftige Mitglieder, doch er hatte die Rechnung ohne die Damen gemacht. "Die sind teilweise genauso Sozis wie ihre Männer, aber die sagen, die Männer sind Mitglied und das passt. Und das, obwohl die SPD das Frauenwahlrecht als Erste gefordert hat." Ein wenig erinnere das an "Dorf-Folklore", sagt Moosmann, der gesteht, dass die Frauen im Fischbacher Ortsverein noch immer in der Minderzahl sind. Zwei sind es heute immerhin.
Die "Hochburg der Sozialdemokratie im südlichen Landkreis" ist heute eher schwach aufgestellt. 15 Mitglieder hat der Ortsverein derzeit - mit 43 Jahren ist Thilo Moosmann der Zweitjüngste. Dennoch: "Der Großteil unserer Mitglieder ist Ende 50 oder Mitte 60, das ist für einen Ortsverein nicht so schlecht", sagt Moosmann. Obgleich er gerne junge Leute hätte. "Das ist eine Sache, die wir in absehbarer Zeit angehen wollen." Er habe zwar ein Konzept im Kopf, "aber das wird nicht verraten". Nichtsdestotrotz, es gehe nicht nur um Mitgliederzahlen, sondern um das, was die Menschen politisch einbringen.
Da ist momentan die Forderung nach einem schnelleren Internet im Fischbachtal, der Krippenanbau an den Kindergarten und der Fahrradweg zwischen Vogtendorf und der Grundmühle, den Reinhard Autolny liebevoll "ein Torso von einem Radweg" nennt. Er werde an diesem Thema dranbleiben, versichert Moosmann. Generell, darauf legt er Wert, hinterlasse sein Ortsverein Spuren im Dorf, sagt Moosmann. Nicht nur im politischen Sinne. Vielmehr bringe sich der Verein auch in das Dorfleben ein, wenngleich auch hier der Zahn der Zeit nage: "Wir haben zur Kirchweih im Juli immer ein Kinderfest veranstaltet und ich hab' damals die Wettbewerbe mit den Kindern gemacht. Danach war ich fix und fertig. Heute könnte ich das nicht mehr", sagt der 70-jährige Autolny. Das Alter! So gehe es den meisten Mitgliedern.
Nachwuchs für ihren Ortsverein, das wünschen sich Reinhard Autolny und Thilo Moosmann. Und dass die große Politik ihre Ortsvereine, also die Basis, stärker einbindet. "Dass Basis und Führung der Partei in Berlin manchmal ein bisschen unabhängig voneinander sind, das ist leider so." Allerdings bemühe sich die Spitze der Partei derzeit "redlich, was die Beteiligung der Ortsvereine angeht", sagt Autolny.
Das reicht ihm allerdings nicht. Er fordert, dass sich die Polit-Größen wieder öfter in der Provinz blicken lassen: "Die Promis in der Partei dürfen sich nicht so einigeln. Statt sich einen platten Arsch in Sitzungen zu holen, sollten sie sich einen platten Reifen holen und rausfahren." Für die Leute vor Ort sei das eine "ungeheure Motivation" weiterzumachen. Und möglicherweise lockt das junge Leute in die SPD - der Ortsverein Fischbach braucht sie.
Bericht: Jan Koch, Fränkischer Tag Kronach, 12.07.2012, www.infranken.de