Die Arbeiterbewegung in Fischbach tritt nach der momentanen Quellenlage 1885 erstmals - und dabei gewissermaßen gleich mit einem Paukenschlag - auf den geschichtlichen Plan. Das spektakuläre Ereignis betrifft einen der ersten "Märtyrer" der Arbeiterbewegung im heutigen Landkreis Kronach, den späteren Kassier der Korbmacher-Genossenschaft Fischbachs, den Arbeiter Adam Betz, der am 27. Juli 1885 vor der Strafkammer des Landgerichts Bamberg wegen "Majestätsbeleidigung" angeklagt ist und dort ein hartes Urteil zudiktiert bekommt:
"Georg Adam Betz, Tagelöhner von Fischbach, wurde wegen Beleidigung des Landesherrn, des Reichskanzlers und Anderem in eine Gefängnisstrafe von 3 Monaten 15 Tagen verurteilt."
Damit befindet sich Betz in quasi ehrenvoller Gemeinschaft mit nahezu allen Größen der deutschen Arbeiterbewegung, die der obrigkeitliche Staat in der Vergangenheit ebenfalls mit Majestätsbeleidigungs-Prozessen überhog, sie durch Willkürurteile zum Teil Jahre hinter Gitter brachte und damit zu verabscheuungswürdigen Kriminellen abzustempeln suchte.
Doch auch in organisatorischer Hinsicht marschiert Fischbach seit mindestens 1895 mit an der Spitze der sozialdemokratischen Wahlkreispartei.Die Sozialdemokraten des Ortes sind am 10. Februar dieses Jahres mit einem Delegierten bei einer wichtigen Parteikonferenz für den Wahlkreis Kronach-Lichtenfels in Schney vertreten und bleiben auch bei späteren Parteikonferenzen überregional präsent. So nimmt am 18. April 1897 letztmals der Vorkämpfer der Fischbacher Sozialdemokraten Friedrich Schneider, an einer Wahlkreiskonferenz teil bei der ausdrücklich festgestellt wird dass neben Schney, Küps, Tettau, Schottenstein und Langenau auch Fischbach zu den Hochburgen der Arbeiterbewegung im Wahlkreis zählt. Einige Monate später muss die gesamte Sozialdemokratie des Wahlkreises schweren Herzens von Friedrich Schneider letzten Abschied nehmen. Die "Oberfränkische Volkszeitung" aus Hof berichtet über die Trauerfeier, bei der Arbeiterführer aus zahlreichen Orten Kränze niederlegten:
"Einer unserer tüchtigsten Mitkämpfer Genosse Friedrich Schneider ist vor einigen Tagen verschieden. Dieser Verlust trifft die Genossen unserer Gegend um so schwerer, als wir bei der bevorstehenden Reichstagswahl diesen jederzeit tätigen Genossen sehr vermissen werden."
Auch die nachweisbar erste öffentliche Versammlung der Sozialdemokraten in Fischbach am 12. Mai 1895 geht auf eine Initiative Friedrich Schneiders zurück, als Daniel Stücklen (Hof) im Gasthaus Johann Wunder zum Thema "Die Umsturzvorlage und die allgemeine politische Lage" spricht und Schneider dabei als "Einberufer" und Versammlungsleiter fungiert. Nach dem Tode Friedrich Schneiders übernimmt dann der Fischbacher Genosse Sack die Vertretung des Ortes im sozialdemokratischen Wahlkreisverein und besucht erstmals am 10. April 1898 eine Konferenz in Schney.
Während also die Fischbacher Sozialdemokraten in dieser frühen Phase noch unter die Fittiche des von Schney aus zentral betreuten Wahlkreisvereins schlüpfen und sich dort als Mitglieder anmelden, kommt es schließlich am 1. April 1906 zur Gründung eines eigenen "Sozialdemokratischen Vereins Fischbach und Umgebung". Als Taufpaten fungierten (wie so häufig in solchen Fällen) Arbeitssekretär Josef Seelmann und die Kronacher Genossen die an diesem 1. April sogar ihren Arbeitergesangverein aufbieten und zu einem "gemeinsamen Spaziergang [...] nach Fischbach" aufrufen. Dort werden dann an diesem ersten Aprilsonntag des Jahres 1906 im Gasthof "Elflein", das auch später als sozialdemokratisches "Vereinslokal" bezeichnet wird, Nägel mit Köpfen gemacht.
Nach einem Referat Seelmanns treten 26 Gründungsmitglieder dem neuen Verein bei und wählen in die Vorstandschaft:
Peter Schneider, Korbmacher Wüstbuch 13, erster Vorsitzender
Michael Gebelein, Steinhauer, Fischbach 5, zweiter Vorsitzender
Johann Gebelein, Maurer Fischbach 46, Kassier
Baptist Schedel, Fabrikarbeiter Hinterstöcken, erster Schriftführer
Johann Kastner, Steinbrecher Fischbach 44, zweiter Schriftführer.
Ein Versuch konservativer Kräfte, die Entstehung zu verhindern, schlägt fehl; die Gegenveranstaltung des zweiten Volksschullehrers zur Gründung eines "Deutschen Flottenvereins" kommt mangels ausreichender Teilnehmerzahl nicht zustande. Selbstbewusst heißt es dazu in der sozialdemokratischen Parteipresse:
"Genosse Seelmann rechnete Eingangs seines Referats mit jenen Flottenschwärmern gründlich ab".
Der neue Verein dagegen wächst kontinuierlich, weist Anfang Juni 1906 bereits 34 Mitglieder auf und kann am 16. Dezember 1906 mit Louise Zietz aus Hamburg sogar ein prominentes Vorstandsmitglied der Gesamtpartei als Referentin über "Die Heimindustrie der Korbmacher und das Elend der Brauchenarbeiter" gewinnen. Auch die zahlreiche Teilnahme an einer großen Maifeier in Thonberg am 26.05.1907 zeigt den Verein noch in der Aufschwungphase.
Umso erstaunlicher wirkt dann die Nachricht von der zeitweiligen Auflösung der Fischbacher Sektion im Jahre 1908. Doch ein Jahr später erfolgt die erneute Gründung zu der sich bald auch ein Arbeiterradfahrerverein "Solidarität" gesellt, der am 28. August 1910 sein "1.Gründungsfest" begeht und dabei mit einem imposanten Festzug durch das Dorf mit Festrede sowie mit "turnerischen Aufführungen, verbunden mit Konzert", zu beeindrucken vermag.
Der "Gründungshunger" scheint bei den Fischbacher Genossen auch nach der zweiten Entstehung des sozialdemokratischen Vereins noch nicht gestillt gewesen zu sein, denn Anfang Mai 1913 ist in den parteizugehörigen Quellen von einem dritten derartigen Vorgang die Rede:
"Eine sozialdemokratische Sektion ist in Fischbach (Wahlkreis Kronach) gegründet worden".
Immer besteht der Fischbacher Ortsverein nun dauerhaft und wird in diesem Jahr 1913 laut Parteipresse flankiert vom erwähnten Arbeiter-Radfahrerverein und von einem Arbeitergesangverein Fischbach, wobei nicht ohne Genugtuung der zusätzliche Hinweis erfolgt:
"Auch gewerkschaftlich sind die meisten Arbeiter organisiert".
Erscheint auch das organisatorische Auf und Ab der Fischbacher Sozialdemokratie etwas seltsam, so nötigen die dortigen sozialdemokratischen Reichstags- Wahlergebnisse vor dem Ersten Weltkrieg dem Betrachter großen Respekt ab. Bei näherer Betrachtung der einzelnen Resultate ab 1884 zeigt sich, dass, abgesehen von zwei Wahljahren, meist deutlich mehr als 50 % der Stimmen auf den jeweiligen sozialdemokratischen Kandidaten entfallen. Bei den drei Stichwahlen (1890, 1898 und 1912) wird in jedem dieser drei Fälle sogar die Marke von 95 % (!) überschritten.
Fischbach erweist sich damit als eine der wenigen herausragenden Hochburgen der Sozialdemokratie im südlichen Landkreis Kronach und vermag diese Stellung auch nach dem Ersten Weltkrieg zu halten.