SPD Ortsverein Neuses

Der erste quellenmäßige Beleg über das Auftreten der Sozialdemokratie in Neusees datiert aus dem jahre 1898, als dort am 22. Mai eine sozialdemokratische Wahlveranstaltung mit dem Nürnberger Parteiführer Örtel stattfinden, der "vor einer dicht besetzten Versammlung" spricht. Sogar die überregionale Nürnberger Presse weiß davon zu berichten dass "die Ausführungen des Redners lebhafte Zustimmung" fanden und eine "ausgezeichnete Stimmung" herrschte, obwohl ein benannter Mühlenbesitzer mehrfach Störversuche unternahm.

Nachdem auch nach der Jahrhundertwende gelegentlich von weiteren sozialdemokratischen Volksversammlungen die Rede ist, scheint vor allem ab 1906 eine neue organisatorische Qualität erreicht worden zu sein, denn in diesem Jahr treten zahlreiche Neuseser Flößer dem sozialdemokratisch orientierten deutschen Hafenarbeiterverband bei, gründen eine eigene Zahlstelle und schließen sich, wie im vorigen Kapitel (Höfles/Vogtendorf) bereits erwähnt, organisatorisch enger mit Höfles/Vogtendorf und Oberrodach zusammen. Wie eng die Verbindung zur freien Gewerkschaftsbewegung bereits gediehen war, zeigen die Reaktionen auf die Abwerbversuche des christlichen Transportarbeiterverbandes im Januar 1908, als bereits 180 Flößer aus Neuses, Höfles/Vogtendorf und Oberrodach dem sozialdemokratischen Verband angehören.

Dies "liegt den Agitatoren des Christlichen Hilfs- und Transportarbeiterverbandes schwer im Magen. [...] Der christliche Verband läßt deshalb kein Mittel unversucht, die Einigkeit der frei organisierten Flößer zu stören."

Als sogar ein Sekretär des christlichen Transportarbeiterverbandes aus Bamberg anreist, um in einer Flößerversammlung eine Gedankenbewegung ins Leben zu rufen und dabei um die Unterstützung des protestantischen Pfarrers nachsucht, kann die "Fränkische Volkstribüne" erleichtert feststellen:

"Doch vergeblich. Der Pfarrer betonte vielmehr, wenn sie eine Versammlung halten, arrangieren die Modernen deren zwei, und so mußte der Herr unverrichteter Dinge abfahren."

Gemäß seiner Auskunft seien die "hiesigen Flößer alle im sozialdemokratischen Hafenarbeiterverbande".

Inzwischen hatte sich neben der Gewerkschaftsentwicklung auch in parteimäßiger Hinsicht Wichtiges für Neuses getan. Am 24. März 1907 erfolgte die Gründung der Sektion Thonberg, die auch die Genossen aus Neuses aufnimmt und ihnen ein organisatorisches Dach bietet. Ja in der Folgezeit wird häufig in der Parteipresse die Doppelbezeichnung Thonberg-Neuses gebraucht, um diese enge organisatorische Verkünpfung der Sozialdemokraten beider Gemeinden zu betonen, wenngleich wohl die entscheidenen Impulse von Thonberg ausgegangen sein dürften.

Hier in Thonberg wird im selben Jahr 1907 auch eine grandiose Maifeier mit Delegationen aus zahlreichen Ortschaften abgehalten. Im Bericht über diese Maidemonstration ist zu lesen:

"Die Teilnehmerzahl war so groß, dass das Meier'sche Gasthaus mit seinen vielen Räumlichkeiten die Besucher kaum fassen konnte. Die Musikkapelle Dauer spielte flott und gut; die Gesangsvorträge der [Arbeitergesangs-] Vereine Kronach und Oberlangenstadt wurden kräftig applaudiert. Auch die Festrede des Genossen Seelmann fand stürmischen Beifall."

Noch im selben Jahr 1907 wird in der Parteipresse die "Bildung einer Sängergruppe" für den 8. September angekündigt. Ob sich die Gründung dann wie angekündigt vollzog bzw. welches Schicksal dem Gesangsverein nach seiner Gründung beschieden war, darüber schweigen aber die bisher bekannten Quellen.

Über die weiteren Aktivitäten des Ortsvereins Thonberg-Neuses dagegen liegen für die Jahre nach 1907 immer wieder Hinweise vor, die sich auf öffentliche Wahl- oder Protestveranstaltungen, auf gesellige Zusammenkünfte und auf Sektionsversammlungen beziehen. Gerade bei letzteren muss gelegentlich an die eifrige Präsenzpflicht der Neuseser Genossen appelliert werden, wenn es z.B. im Juli 1910 heißt:

"...insbesondere unsere Kameraden von Neuses werden gebeten, pünktlich und vollzählig zu erscheinen"

Ob nun mangelnde Präsenzpflicht Schuld trägt oder andere Gründe eine Rolle spielen: Der vorher doch so erfreulich aufstrebende Ortsverein besteht seit Anfang 1913 nicht mehr.

Da Neuses bis einschließlich 1898 mit Ziegelerden einen gemeinsamen Wahlbezirk bildet, können die bis dahin erzielten sozialdemokratischen Wahlresultate keine eindeutigen Aufschlüsse über die politische Stimmungslage speziell in Neuses geben. Erst ab 1903 lassen sich exakte Zuordnungen vornehmen und hier zeigt sich, dass im Zeitraum bis zum Ersten Weltkrieg die Wahlresultate zwischen 30 und knapp 45 % pendeln. Doch mit 44,8% für den sozialdemokratischen Kandidaten Seelmann erreichten die proletarischen Wähler von Neuses 1912 ein beachtliches Resultat, das Hoffnung auf weiteren Ausbau beinhaltete.