1948 – 1970 - 22 Jahre Kronacher Stadtentwicklung

Die Rückschau des Bürgermeisters Konrad Popp

Dieser Beitrag ist dem verdienten Kronacher Bürgermeister und Sozialdemokraten Konrad Popp gewidmet, der 22 Jahre lang in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg das Bürgermeisteramt in Kronach innehatte. Kronach war vom Krieg gezeichnet, viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene mussten aufgenommen werden, Wohnungsnot und marode Infrastruktur bestimmten zunächst das Handeln. Die Stadt Kronach war zwar Kreisstadt, die heutigen 13 Stadtteile rund um Kronach, die bis 1. Mai 1978 eingemeindet wurden, waren damals noch selbständige Gemeinden.

Diese Kernstadt Kronach, damals um die 10.000 Einwohner, hat gerade in jenen Jahren eine weite Ausdehnung erfahren, so vor allem in Kronach-Süd, im heutigen Kreuzberg-Gebiet und wegen erfreulicher industrieller Entwicklung im Bereich der Industriestraße.

Es gibt noch keine zusammenfassende Beschreibung und Beurteilung der Stadtentwicklung jener prägenden Zeit, nur schlagwortartige Erwähnungen wichtiger Maßnahmen und die Charakterisierung, dass in der 22-jährigen Amtszeit von Bürgermeister Konrad Popp „die entscheidenden Weichen für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung der Kreisstadt Kronach gelegt (wurden). Es ist gewiß nicht übertrieben, wenn man resümiert: Konrad Popp wurde zum Vater des neuen Kronachs.“

Des Bürgermeisters Abschiedsrede

In der konstituierenden Sitzung des Kronacher Stadtrats vom 2. Mai 1970 wurde Konrad Popp verabschiedet. Er nutzte diese Stunde um eine Chronik der Stadtentwicklung aus seiner Sicht und seinen Erfahrungen mitzuteilen. Diese Rede wird hier in Gänze wiedergegeben, und man muß sich schon viel Zeit bei der Lektüre nehmen, denn Konrad Popp konnte sehr viel Revue passieren lassen. Man erhält dadurch aber auch einen richtigen Eindruck, was er in seiner Amtszeit geleistet hat und wie er für Kronach gesorgt hat!

Es ist demgegenüber beschämend (aber bezeichnend!), wie die nachfolgende CSU-Mehrheit im Stadtrat sich dazu verhalten hat. Darüber dann mehr in dem nächsten History-Beitrag in dieser Reihe!

Nun erst mal Konrad Popp:

„Am Tage meines Amtsantritts als 1. Bürgermeister der Stadt Kronach am 26. Mai vor 22 Jahren hatte ich nur einen Wunsch:

Möchte der Dienst an meiner Stadt Kronach so verlaufen, daß ich ihn eines Tages in Ehren quittieren kann.

Heute stelle ich fest, daß der Himmel meinen Wunsch erfüllt hat.

Am 30. Januar 1948 kam ich als Schwerbeschädigter aus russischer Gefangen-schaft nach Kronach zurück. Wie hatte sich meine Stadt verändert, seit ich sie 1943 verlassen hatte, als man mich zum 2. Mal in meinem Leben zum Heeres-dienst oder Wehrmachtsdienst eingezogen hatte.

Von Hof-Moschendorf fuhr ich früh gegen ½ 10 Uhr am ehemaligen Goldenen Wagen mit dem Auto vorbei. Er war abgebrannt. Das Haus Pfretschner war eine Ruine. Der Pfarrturm (Rosen-) war ohne Schiefer. Die meisten Häuser hatten noch Dachpappenbedeckung. Am Strauertorweg fehlten die Häuser Nietner-Porzelt-Weckert-Lieb. Das Cafe Gebhardt (Heute Cafe Christine/Mephistro) war eine Ruine. Das eigene Haus (In der Rosenbergstrasse) war durch die Initiative meiner Frau und meiner Tochter und der Hilfe von guten Nachbarn wieder wohnlich gemacht worden. Ich selbst mußte an zwei Krückstöcken gehen, denn ich war 1947 am 19. Juli in Minsk zwölf Meter hoch im Traktorenwerk abgestürzt und hatte durch gut Glück nur 3 Rippen gebrochen und der Gelenkkopf des rechten Oberschenkels hatte die Gelenkpfanne zertrümmert. Das Rundholz an einer Drehbank hatte verhindert, daß ich auf Stahl oder Beton gefallen bin. Ein Zentimeter weiter rechts oder links hätte mein sicheres Ende bedeutet.

Bis Ende 1947 lag ich vollkommen gelähmt an beiden Beinen im Hospital Borissow. Wäre ich nicht verunglückt, so wäre ich im August 1947 in eine Kohlengrube im Donezbecken mit meinen anderen Kameraden gekommen. Schon oft habe ich darüber nachgedacht, ob das schicksalhaft so kommen mußte.

Die Bürgermeisterwahl in Kronach stand Mitte April 1948 an. Im Februar kamen ein paar Parteifreunde zu mir, es waren der Schreinermeister Schneider, Am Flügelbahnhof 5, und der verstorbene Friseurmeister Karl, und trugen mir an, ich sollte mich zur Bürgermeisterwahl stellen. Sie meinten, es wäre der Wunsch vieler Kronacher und sie hätten schon auf meine Rückkehr gewartet. Ich versuchte alles, sie von ihrem Wunsch abzubringen. Ich ging in meinem Bekanntenkreis herum und machte Gegenvorschläge. Wenn ich in Gefangen-schaft an alles gedacht habe – an diesen Vorschlag hätte ich nicht gedacht. Ich wollte in meine Schule zurückkehren, an der ich mein halbes Leben von 1920 – 1943 mit Leib und Seele hing. Nie und nimmer wollte ich dieses Bürger-meisteramt annehmen. Da mich immer mehr bedrängten, gab ich schließlich nach. Auch die Amerikaner machten keine Schwierigkeiten, da sie erfuhren, daß ich im 3. Reich wegen meiner Haltung im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold im Salzbau gesessen war. Als ich dann das Wahlergebnis 2548 : 1493 erfuhr, wurde mir erst recht bang ums Herz. Meine Kronacher Bürger setzten ein ungeheures Vertrauen in den „roten“ Bürgermeister. Mit Mut und Tatkraft ging ich an die Lösung der vielen schweren Probleme. Es herrschte noch Not an allen Ecken. Marken gab es noch für den Bezug von Fleisch, Brot, Kartoffeln, Zucker, Eier, Butter, Rauchwaren, Bezugsrechte für Schuhe, Textilien, Eisenwaren, usw. Wer etwas zu tauschen hatte, konnte sich Backsteine, Dachziegeln, Fensterglas und all die anderen Dinge des täglichen Lebens verschaffen. Bei einer Tagung der Landräte im Schützenhaus demonstrierten die Frauen aus Stadt und Land, weil die Männer für 50 Fleischmarken 100 g Rehfleisch erhielten und dazu Kartoffel und Salat. Auf der Festung waren dicht aufeinander Flüchtlinge untergebracht. Es wohnten dort 511 Menschen – heute noch 200. Das Gesellenhaus ( Später Kath. Vereinshaus, mittlerweile Hotel) war Flüchtlingslager. Alle Baracken waren übervoll von Menschen – am Schützenplatz, am Pfählanger, am Galgenanger und dort wo heute die Turnhalle des Lukas-Cranach-Schulhauses steht. Und wie saßen die Menschen aufeinander. Wohnungen, die für 4 Personen ausgereicht hätten, waren von 10 Personen belegt.

Das Wohnungsproblem war das brennendste. Mancher meiner Kronacher Bürger ist mir heute noch gram, daß ich ihn nicht von seinen Untermietern befreite, oder ihm eine entsprechend große Wohnung gab. Es mußte rasch gehandelt werden. Wir wollten Wohnungen bauen, doch wohin? Niemand gab ein Stück Boden her. Steine wollten wir selbst herstellen oder in Ingolstadt beim Abbruch der Festungsmauern holen. Keiner kann heute mehr die Schwierigkeiten ermessen, die überall zu überwinden waren. Für die Reichsmark gab niemand mehr etwas her. Arbeiten mochten auch viele nicht; denn wenn sie eine Stange amerikanischer Zigaretten verhandelten, hatten sie mehr verdient, als wenn sie 3 Tage schwer arbeiteten.

Die Porzellanfabriken suchten Arbeitskräfte. Da es hier zu wenig Willige gab, kamen aus Hof-Moschendorf 40 Flüchtlingsmädchen. Als dann am 20. Juni die harte D-Mark durch die Währungsumstellung kam, gingen viele auf Arbeitssuche. Man beschäftigte natürlich die weiter, die vorher um die lumpige R-Mark gearbeitet hatten. Am Tage X (= 20 Juni 1948) erhielt jeder sein Kopfgeld, d.h. 40 RM wurden umgewechselt in 40 DM. Mit diesem wertvollen Zahlungsmittel begann die Wirtschaft anzulaufen. Als dann das zweite Kopfgeld (20 DM pro Kopf) kam, erließ ich einen Aufruf. Ich erbat mir dieses Geld zu leihen, damit das Bauen ins Rollen kommen konnte.

Da die Stadt keine Darlehen aufnehmen konnte, gründeten wir eine Gesellschaft, die Kronacher Wohnungsbaugesellschaft m.b.H.

50.000 DM Stammkapital waren vorgeschrieben. Wir baten den Kreis um Teilnahme an der Gesellschaft und um 5.000 DM Gesellschaftskapital.

15.000 DM gewährte die Stadt. Das waren erst 20.000 DM. Unsere Stadtwerke gaben noch 20.000 DM 7c-Darlehen. Dadurch ersparten sie 10.000 DM Steuern und der neuen Gesellschaft war geholfen. Wir erhielten die Ausnahmegenehmigung mit 40.000 DM eine Gesellschaft gründen zu können.

In der Joh.Casp.Zeußstraße erhielten wir von Herrn Melchior Thron (Farbenthron) doch ein kleines Grundstück und errichteten die ersten 9 Wohnungen. In jedem Stockwerk waren 3 kleine Wohnungen mit je 2 Zimmern und einer Küche. Baumeister Kestel erbaute sie nach den Plänen unseres Stadtbaumeisters Carl Stöcklein. Der qm Boden kostete 2,50 DM, der cbm umbauter Raum 39,16 DM (heute 120-130 DM). Die 9 Wohnungen kosteten 76.000 DM. Das Haus daneben in der Stöhrstraße kostete ebenso 76.000 DM. Eine Wohnung kam also auf rund 8.500 DM. Heute bauen wir dafür kaum 1 Zimmer. Da im Kaulangergebiet kein Baugelände mehr aufzutreiben war, gingen wir nach Kronach-Süd in die Wachtersflur. 25 Wohnungen in 5 Gebäuden entstanden auf dem nicht erschlossenen Gelände, für das kein Bebauungsplan vorlag. Es würde zu weit führen, wollte ich all die Grundstücksverhandlungen schildern, die notwendig waren um in den Besitz des gesamten Geländes zu kommen (Pfarrpfründestiftung – Appel Max – Leonhardt (und im Zusammenhang Koch) – Hanna –Rübsamen, Bayreuth – Ruff –Herrmann-München (Frau Herrmann wollte dafür ein Grundstück bei Friesen) – Fiedler – Knorr). Demütigende Behandlung wurde uns zu Teil, weil Frau Herrmann im 3. Reich durch einen meiner Vorgänger schlecht behandelt wurde (ein Grundstück in der Neuen Siedlung wurde ihr so quasi enteignet).

Es würde ein Buch füllen, würde ich alle Einzelheiten niederschreiben. Als das Gelände restlos bebaut war, mußte ich mir Gedanken machen über die Erschließung eines neuen Baugeländes. Der Ziegelwinkel und die Dr.-Ludwig-Vierling-Heimkehrer-Siedlung. Der Erwerb des Geländes machte viel Sorgen. (Grundstück Heimkehrersiedlung 2.—DM pro qm als Tausch für die Kochäcker am Kreuzberg). Im Ziegelwinkel erwarb ich 31.341 qm, und zwar von Frau Biedermann allein 11.200 qm. Die Pfarrpfründe-stiftung erhielt ein kleines Stück Wald am Teufelsgraben zum Tausch. Stadel-mann, Pressig, gab 5.000 qm. Langold 5.900, mußte aber in natura am Kreuz-berg von dem Bruder des Schäfers Wich ein großes Grundstück bekommen. 25 Bürger konnten beglückt werden und Haus oder Betrieb errichten. Preis 3.--DM pro qm.

Höher auf den Kreuzberg konnten wir erst bauen als die Wasserfrage gelöst war. Das war ein schweres Problem. Kein Tropfen Wasser fließt mehr aus den Quellen, die bis 1948 die Stadt mit Wasser versorgten.

Die Quellen bei Ziegelerden mußten gesperrt werden, weil sie kolibakterien-haltig waren, ebenso die beiden Quellen bei Steinberg. Herr Peterhänsel hat sich 1948 selbst geholfen und artesisches Wasser erbohrt. 50 m weiter bohrte die Stadt, weil eine Einigung mit Peterhänsel nicht möglich war. Später kaufte die Stadt die Fabrik Peterhänsel und die Quelle für 160.000 DM. Die Quelle war wenigstens 60.000 DM wert. Die 100.000 DM mußten in 5 Jahresraten zu je 20.000 DM bezahlt werden. Für die Fabrik nehmen wir aber jährlich 18.000 DM Miete ein.

Außerhalb Dörfles – auf Friesen zu – erbohrten wir Wasser. Diesen Tiefbrunnen und Rohrleitung bis Steinberg verkauften wir günstig an die Gruppenwasserversorgung des Frankenwaldes. Vor der Einfahrt nach Dörfles errichteten wir eine weitere Tiefenbohrung. Damit war aber das Problem immer noch nicht gelöst. Der Wasserbedarf stieg allmählich auf 2.500 cbm pro Tag. Bei der Hammermühle entstand eine weitere Tiefbohrung.

In der Festung errichteten wir rechts vom Eingang ein Hochreservoir um die Bebauung Kreuzberg möglich zu machen. Schließlich erbohrten wir 16 Sekundenliter ganz weiches Wasser bei der Rußmühle. Diese Quelle erbringt mehr als die Hälfte des Tagesverbrauchs unserer Stadt, nämlich 1350 cbm. Wir pumpen aber nur bei Nacht, weil wir den billigen Nachtstrom nutzen. Und nun kam noch das Hochreservoir auf dem Kreuzberg mit 1250 cbm. Ein zweiter Behälter wird vielleicht bald entstehen, damit beim Ausfall von mehreren Pumpen Wasservorrat für 1 ½ Tage vorhanden ist.

Die Kreuzbergbebauung machte nun keine Schwierigkeiten mehr. Das Gelände zwischen Neukam-Straße und Kreuzbergstraße konnte ich erwerben, ebenso große Flächen rechts der Kreuzbergstraße oberhalb der Ziegelei. Heute bei meinem Abschied müßte ich vielen danken, daß durch ihre Einsicht die Bebauung des Kreuzbergs überhaupt möglich gemacht wurde. Wenn ich nur eine von den vielen nenne, so ist das nicht etwa eine Abwertung der anderen. Frau Babette Biedermann hat mir bei einem Nachmittagskaffee 27.000 qm zu einem wirklich christlichen Preis überlassen. Sie weilt nicht mehr unter den Lebenden. Der liebe Gott möge ihr das vergelten.

Es war uns möglich Bauplätze zu verkaufen von 6 – 15 DM. Am Lehmgruben-weg hat uns die Oberfränkische Baugenossenschaft geholfen, der Wohnungsnot zu Leibe zu rücken. Sie erbaute 105 Wohnungen in der Arthur-Goller-Siedlung.

Auch die Erschließung des Geländes hinter den Amerikanern wurde uns möglich. Der Hang wurde bebaut. Dazu entstand dort die Realschule. Viel Schwierigkeiten und Ärger bereiteten uns der Bau des Inneren Rings von der Auffahrt von der Rodacherstraße bis zum Lehmgrubenweg – heute Kaulangerstraße. Der Hauptbauherr war wohl die Kronacher Wohnungsbau, die es inzwischen auf 630 Wohnungen und 100 Garagen brachte und eine Bilanzsumme von rund 12 Millionen hat. Doch auch vielen Einzelbauherrn konnte geholfen werden. Sie brauchten nicht nach Knellendorf, Seelach oder Neuses ausweichen. Die St. Josefsstiftung und das Evangelische Siedlungswerk erbauten auch noch weit über 150 Wohnungen.

Zusammengezählt entstanden von 1949 bis heute rund 1000 Wohnungen. Und trotzdem ist die Wohnungsnot noch nicht vollständig beseitigt. Gar mancher fragt: Wie kommt es, daß Kronach von 1948 bis heute rund 500 Einwohner verloren hat? (Von 10.300 auf 9.800).

Viele Heimatvertriebene haben im Westen der Bundesrepublik Wohnung und lohnende Beschäftigung gefunden. Denken Sie daran, daß die Zahl der Festungsbewohner von 500 auf 200 abgesunken ist.

Viele kleinere und größere Betriebe sind entstanden. Der größte davon, die Loewe Opta-Fernsehfabrik, kam 1948 unter der Leitung unseres Ehrenbürgers, des Herrn Konsul Piper, mit 100 Mann von Küps nach Kronach. Heute beschäftigt die Firma mehr als 1.800 Menschen. Sie sucht allwöchentlich in der Zeitung neue Kräfte. Sie baut auch immer weiter. Vor kurzem hat sie mehr als 25.000 qm neues Land erworben. Auf dem Spitalgrundstück am sogenannten Sauanger , das 1938 an die Drahtseilfabrik Dietz – Neustadt verkauft worden war, entstanden 1948 die ersten Baracken. Und der schlechte Gleisübergang hatte im November 1948 ein furchtbares Unglück im Gefolge. Ein wahrlich schlimmer Schlag für die hoffnungsvolle Firma. Heute wirbt Loewe-Opta in der Welt für den Namen unserer Stadt. Inzwischen ist unter schwierigsten Umständen die Industriestraße entstanden. Eine Anzahl Firmen haben sich dort angesiedelt. Eine Fußgängerbrücke über die B 173 und die Bahnstrecke nach Nordhalben kostete uns 350.000 DM.

Vor einem Jahr ist es mir gelungen mehr als 200.000 qm Industriegelände zu erwerben. Von 21 Grundstücksbesitzern war der Erwerb gleichzeitig und zum gleichen Preis möglich. Es war die schönste Kaufverhandlung meines Lebens. Das Gelände wurde vor einer Woche an die Interessenten gegeben. In 2 – 3 Jahren wird das Gelände ein neues Gesicht bekommen. 2 ½ Millionen DM Darlehen haben wir für diesen Zweck aufgenommen. In spätestens 2 Jahren sind wir die Schulden wieder los. Zur Beseitigung der Wohnungsnot und der Arbeitslosigkeit in Stockheim und in Haßlach haben wir viel beigetragen, indem wir aus unserem, vom Bamberger Bischof während des Schwedenkrieges erhaltenen Grundbesitz viele Bauplätze abgaben. Kronach hat ein gutes Beispiel gegeben in schwerer Zeit.

Bei meinem Amtsantritt sprach ich davon, der Stadt ein neues Gesicht geben zu wollen. Daß das wahr geworden ist, das erklären mir ausgewanderte Kronacher, die nach 20 Jahren nach Kronach zurückkamen.

Gestatten Sie mir, daß ich nur blitzlichtartig die Änderungen aufführe. Die große Schulraumnot wurde 1953 durch den Bau des Lukas-Cranach-Schulhauses stark gemildert. Daß wir heute durch die Umorganisation des Schulwesens weitere 20 – 30 Schulsäle bauen müssen, das konnte nicht vorausgesehen werden und wäre auch nicht zu finanzieren gewesen. 1957 wurde durch den Bau der neuen Oberrealschule (jetzt des neuen Gymnasiums) die gräßliche Raumnot stark gemildert. Inzwischen ist der Raummangel beseitigt und zwar durch den Weiterbau des Kreises, der durch das Schulfinanzierungsgesetz die Schullast aufgebürdet bekam. Die danebenstehende neue Berufsschule hat auch das Problem gründlich gelöst, nachdem wir 1953 der Berufsschule die ersten eigenen Räume übergaben, durch den Verkauf des ehemaligen evangelischen Schulhauses neben der Klosterkirche. Die Schulfrage ist gelöst bis auf die Volksschule.

Ein kühner Plan wird in einigen Jahren die glücklichste Lösung dieser Frage bringen (Errichtung des Schulzentrums). Ich freue mich auf den Tag.

Von den meisten ist wohl vergessen, daß wir außerhalb der Altstadt nur wassergebundene Schotterdecken auf den Straßen hatten. Am Kaulanger und in der Siedlung mußte man noch in den 50er Jahren durch die Wasserpfützen laufen. Ich höre Kritiker, die sagen: Heute ist es auch wieder so schlecht. Zur Beruhigung: Die Stöhrstraße wird in Kürze vom Baulastträger Staat wieder hergestellt. Vorher aber müssen neue Gasleitungsrohre eingebracht werden. Die übrigen Straßen, die durch den Winter gelitten haben, werden von Seiten des Stadtbauamtes in Ordnung gebracht.

Dann kommt auch die Johannesbrücke (Am Kaulanger/A.Limmerstr.) dran, die kurz vor dem Frost gerade noch befahrbar gemacht wurde. Sie wird dann ebenso schön sein, wie unsere neue Klosterbrücke. Ein Segen für Kronach ist die Verrohrung der Mühlbäche geworden. War es nicht furchtbar, wenn man die Limmerstraße herausging oder beim Kino über den Steg oder beim Höring in der Knochgasse oder bei Karst und Endres. Und erst der Mühlbach vom Steinwehr bis zur Steinmühle. Die großen Kanalisationsrohre vom Deutschen Haus (Kulmbacher Str./Pfählanger) bis zur Einmündung im Höringsgarten (wurde später zur LGS erworben!) bei der Südbrücke werden bald ihrem eigentlichen Zweck zugeführt. Am Montag beginnt das große Werk der Kanalisierung vom Kreuzberg bis zur Zollschere. Und das Gelände für die Kläranlage in der Weißenbrunner Straße ist auch bezahlt (von Hanna 30.000 qm und von Sauerwein, Hamburg, 6.000 qm).

Um ein Haar hätte es eine Panne gegeben. Jahrelang habe ich die Verhandlungen um den Erwerb des Höringsgarten geführt und 3 Tage bevor der Notar die Beurkundung vornehmen wollte, erhielten wir von der Obersten Baubehörde die Nachricht, daß wir nicht dahin bauen dürfen. Die Bambergerstraße ist mit vielen Opfern so ausgebaut, daß nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Fußgänger dort verkehren können. Der Hang an der Schleif ist mit Wohnhäusern bebaut. Doch ist die Bebauung etwas gewagt. Das Gelände darüber bis zur Straße unterhalb Ziegelerdens würde die Stadt billig an Bauwerber vergeben, wenn der Bauer Schneider dazu zu bewegen wäre, seinen Acker mit 26.000 qm an uns zu verkaufen. Der Acker hat einen Pachtwert von rund 250 DM jährlich. Der Kaufpreis würde wohl 10.000 DM jährlich an Zinsen erbringen. Für 5 – 6 DM würden wir die Bauplätze an Baulustige geben können. Es könnten dort leicht 100 – 150 Wohnungen entstehen. Auch ein Mann mit geringerem Einkommen könnte an Bauen denken.

Freilich würde der Weg über den Ziegelerdener Berg führen bis zum Eingang von Ziegelerden. Aber die Straße haben wir ja auch gut ausgebaut. Genauso haben wir die Straße zum Dobersgrund befahrbar gemacht. Die Wege zur Haingasse und zum Kreuzberg erfreuen heute den Autofahrer und Spaziergänger.

Die Festung machte uns immerzu große Sorgen. Weder der Staat noch ein Privater läßt sich das Bauwerk schenken, wenn er die Auflagen hört, daß jährlich mindestens 25.000 DM mehr aufgewendet werden müssen als wir einnehmen. Wir haben 100.000e ausgegeben, besonders für den Unterhalt der Dächer. Die Jugendherberge für Knaben und Mädchen ist ein Schatzkästchen für die wandernde Jugend. Auch die Kronacher sollten sich einmal zur Besichtigung einfinden.

Die Feuerwehr ist aufs beste versorgt worden. Nicht nur, daß sie gerätemäßig beispielhaft ausgerüstet ist. Sie hat auch ein großartiges Heim am Martinsplatz an Stelle einer unbewohnbaren Bruchbude, deren Abbruch mir soviel „Lob“ eingebracht hat.

Bei dieser Gelegenheit wurden auch Straße und Kanal in der Amtsgerichtsstraße gerichtet. Der eine Teil des Stadtgrabens wurde zu einer Erholungsstätte für Erwachsene und zu einem Spielplatz für Kinder gemacht. Eine schöne Stiege führt von der Unterstadt über den Zwingergarten an der Annakapelle vorbei zum Kirchplatz. Es ist eine Entlastung der Schwedenstraße. Die Rosenau hat durch die Verrohrung des Mühlbachs und durch den Ausbau der Straße viel gewonnen. Der Bahnhofsplatz, auf dem eine kleine Anlage mit dem Kriegerdenkmal von 1870/71 stand, ist, weil es der ruhende Verkehr erforderte, zum Parkplatz geworden.

Durch den Neubau unserer Sparkasse wurden auch eine Anzahl Parkplätze gewonnen, genauso wie beim Hause Tengelmann (heute Fränkischer Tag).
Auch die Marienplatzanlage wurde zu Parkplätzen umgestaltet und wiederholt verändert. Die Stadtwaage wurde verlegt und neugebaut am Flügelbahnhof. Für die Ostzonale Jugend entstand in der Hammermühle die Jugendheimstätte, bei der wir lediglich den Platz zur Verfügung stellen mußten.

Der Erweiterungsbau mit einem Saal gehört den Kronacher Jugendverbänden. Heute dient die Heimstätte als Schullandheim für die Berliner Jugend.

Das Bad wurde anfangs der 50er Jahre ausgebaut, 25 x 50 m. Die zunehmende Verschmutzung des Flußwassers forderte gebieterisch eine Neuerung. Die Stadt Kronach wird von allen Seiten viel Besuch erhalten, wenn auf dem Kreuzberg das Hallen- und Freibad in Betrieb genommen wird. Das Gebiet hat eine Größe von rund 30.000 qm. Das Bad läuft vollelektrisch und wird rund 4.100.000 DM kosten.

Unser alter Schlachthof wurde erweitert und modernisiert, so daß er für Jahrzehnte ausreichen wird. Noch einige große Probleme hoffte ich in den letzten Jahren meines Bürgermeisterdasein lösen zu können. Ich will die Gründe nicht nennen. Aber es ist mir manches schwer geworden.

Der Rathausbau ist vordringlich, denn man kann von den Leuten unseres Amtes nicht verlangen, daß sie in Räumen arbeiten, die für einen Menschen der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts wirklich unwürdig sind. Die Gebäude am oberen Markt sind im Laufe der letzten 15 Jahre in unsere Hand gekommen. Die Finanzierung des Rathauses ist durch Rücklagen und Bausparvertrag gesichert.

Das Schulhaus habe ich bereits genannt. Wieviel wir von den 8 – 10 Millionen selbst tragen müssen, wird sich erst nach der Planung und Finanzierung zeigen. Auch die Kläranlage, die nach der Kanalisation kommt, wird mehr als 3 Millionen verschlingen. Der Friedhof wird noch ein Jahrzehnt ausreichen, nachdem wir für die Erweiterung 180.000 DM ausgegeben haben. Der neue Friedhof wird uns mit dem Leichenhaus viele Millionen kosten.

Wenn ich nun Bilanz ziehe, dann darf ich stolz sagen:

Schulden haben wir fast keine, wenn wir all die ausgeliehenen Gelder in Anrechnung bringen. Vielleicht habe ich sogar den Fehler gemacht, daß wir nicht ein paar Millionen Schulden gemacht haben.

Unser Besitz hat sich in den 22 Jahren vermehrt.

Wir haben in Gut Birkach 36 Tagwerk guten Boden gekauft, das Tagwerk zu 750 DM d.h. also den qm zu 22 Pfennig. Aber das Pachtgeld ist ja auch entsprechend niedrig. Unser schöner Wald (550 ha) machte uns in den vergangenen Jahren Sorgen. Die Ausgaben dafür waren höher als die Einnahmen. Doch hat sich das jetzt wieder bedeutend gebessert.

So darf ich unbesorgt die Verwaltung unserer Stadt aus der Hand geben und in jüngere Hände übergeben.

Bevor ich das tue, muß ich aber großen Dank sagen. Meine Beamten haben für die Stadt gearbeitet mit einem Fleiß und einer Treue als ob es für sie selbst gewesen wäre. Wenn ich einen oder den anderen beim Namen nenne, dann weiß ich, daß sich der nicht benannte beleidigt fühlt. Und doch müßte ich die Treue und den Fleiß von manchen preisen, der mir die Arbeit leicht gemacht hat. Mancher hat noch 100 oder 200 Tage Urlaub gut, weil er glaubte, er müßte immer da sein. Eigentlich habe ich hier etwas begangen, was strafwürdig wäre. Ich hätte meine übereifrigen Leute zwangsweise in Urlaub schicken müssen. Aber das sagt doch mehr als jegliches Lob. Sie waren da zu jeder Tages- und Nachtzeit, sie waren auch am Samstag und Sonntag zu unbezahlter Arbeit bereit. Ich danke meinen Angestellten, die nicht weniger fleißig waren wie die Beamten. Ich danke auch unseren Arbeitern im Stadtbauamt, in den Stadtwerken und im Forst, die sich mühten, auch wenn sie ohne Aufsicht waren. Ich danke all denen, die im Laufe der Jahre aus den Diensten der Stadt geschieden sind und denen die nicht mehr unter den Lebenden weilen. Ich danke allen meinen Stadträten, die von 1948 bis 1970 treue Dienste für die Stadt geleistet haben. Ich danke auch den Schwestern in unserem Spital und Altersheim, die eine besonders aufopferungsvolle Arbeit leisten müssen. Dank sage ich auch dem Herrn Landrat und dem Personal des Landratsamtes und der übrigen Ämter, die gut mit der Stadt zusammenarbeiteten. Dank auch den beiden Kirchen, die durch ihre Toleranz den Frieden in unserer Stadt mit garantierten. Nicht zuletzt danke ich allen Bürgern meiner Stadt mit ihren Familien, die am Wohl unserer Stadt mitgewirkt haben durch ihre Arbeit und durch ihre Steuern. Ich danke all denen, die mich 1948 auf den Schild gehoben haben und mich 1952 und 58 wieder gewählt haben. 1964 haben Sie alle „ja“ zu mir gesagt und mich mit 96 % Ihrer Stimmen gewählt. Ich bin stolz auf meine Kronacher. Ich bin vor allem darauf stolz, daß ich bei all meinen Entscheidungen nie an mich, meine Verwandten oder Freunde gedacht habe. Ich habe nicht das mindeste für mich herausgeholt. Ich habe nur an das Recht gedacht und danach gehandelt. Sollte doch einer der Meinung sein, es wäre ihm von mir unrecht getan worden, so versichere ich ihm, daß das nicht in meiner Absicht lag. Ich freue mich, daß uns der Herrgott in 22 Jahren vor großem Unheil fast verschonte, wenn auch der Brand der Ölfabrik Voitländer und die Hochwasser-katastrophe Weihnachten 1967 manchen persönlich traf. Ich darf Ihnen zum Schluß sagen, daß ich wohl der glücklichste Mann unserer Stadt bin, weil ich große Pflichten erfüllen konnte und immer das Vertrauen meiner Wähler genoß.

Ich bin bei jeder Wahl ob als Bürgermeister, Kreisrat oder Bezirksrat als Gewinner hervorgegangen und für dieses Vertrauen bedanke ich mich heute an dem Tag an dem ich das Zepter aus der Hand lege. Meinem Nachfolger und unserer Stadt wünsche ich Glück und Segen. Mein Leben ist erfüllt gewesen als Lehrer und als Bürgermeister und wenn ich morgen von hier scheiden muß, so werde ich mit dem Herrgott nicht hadern, denn der Sinn meines Daseins ist erfüllt.

Ich darf mit den Worten Friedrich Nietzsches schließen, die ich manchmal am Grabe von braven Toten gesprochen habe.

Ich habe den festen Glauben, daß wir nicht geboren sind um glücklich zu sein sondern, daß wir unsere Pflicht tun – und wir wollen uns segnen, wenn wir wissen, wo unsere Pflicht ist.