Seit 114 Jahren in Kronach - die SPD !

Im November ist viel Zeit für Gedenken und Erinnern angesetzt, die kirchlichen Feiertage vor allem, dann auch der Volkstrauertag. Dieser wird, selbst wenn mit runden (1914) oder halbrunden (1939) Jahrtagen verbunden, immer weniger beachtet (was Konrad Popp schon 1964 bemängelte hat). Der Einigungsprozeß vor 25 Jahren stellte dagegen heuer ein richtiges „Feierpotential“ dar.

Am 26. November hat die Kronacher SPD Grund zum Erinnern: vor genau 114 Jahren entstand nämlich hier der SPD-Ortsverein. Zuletzt beim 100-jährigen Jubiläum wurden die Anfänge der SPD in Kronach ausführlicher gewürdigt, und dank einer akribischen Arbeit des Genossen Norbert Trebes aus Teuschnitz sind die ersten Jahrzehnte sozialdemokratischer Betätigung in und um Kronach herum nachlesbar unter: www.spd-kronach.de/stadtverband/geschichte.

Scan - 100 Jahre SPD in Kronach
Norbert Trebes hat es bestens verstanden, die mühsame Aufbauarbeit der Genossen damals aufzuzeigen. Wie sie versucht haben, ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation zu verbessern, wie sie Stück um Stück Teilhabe an politischer Entscheidungsmacht erstritten. Und doch immer wieder Kriegsjahre dazwischen, die lähmten, und dann die Verblendung des Nationalsozialismus und sein zerstörerisches Wirken. Aber nach dem Zusammenbruch waren dann wieder Sozialdemokraten gerade in Kronach als politische Kräfte gefragt und bereit, am Wiederaufbau mitzuwirken.

Kronacher Sozialdemokrat wird Bürgermeister!

Das hätten sich die Kronacher Genossen von 1900 wohl noch nicht vorstellen können, dass schon 1948 ein Sozialdemokrat demokratisch zum Bürgermeister ihrer Stadt gewählt werden sollte:

Konrad Popp, geb. am 27. Februar 1899 in Burgkunstadt, erhielt kaum ein Vierteljahr nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft bei der Wahl am 25. April 1948 als SPD-Kandidat mit 2522 der 4063 gültigen Stimmen (62,7 % gegenüber 36,7 % seines CSU-Gegenkandidaten und bisherigen Bürgermeisters Baptist Thron) das Vertrauen der Kronacher Mitbürgerinnen und Mitbürger. Und das Bürgermeisteramt hatte er dann 22 Jahre lang bis zum 30. April 1970 inne.

Wie Konrad Popp seine Lebensleistung für Kronach selbst beurteilt hat, das wird im nächsten Beitrag zu lesen sein (aber aufgepaßt, das wird etwas länger, denn es waren 22 Jahre Amtszeit, und da ist nicht wenig geleistet worden!). Hier soll jedoch erst einmal eine kleine Episode angeführt werden, die vielleicht zeigt, warum Konrad Popp als Mensch und Bürgermeister so viel Zuspruch erfahren hat.
Der langjährige NP-Redakteur Karl-Heinz Oswald beschreibt im Fränkischen Heimatkalender 1989 (S. 76 ff.), wie der Bürgermeister zu Dienstgeschäften und Verhandlungen nach München reiste, was in den ersten Amtsjahren ohne Dienstwagen und Chauffeur beschwerlicher war als wir uns das heute vorstellen können. Auf einer dieser Dienstreisen kam es zu einer Begegnung mit Kathi Bauer, Mitbegründerin und Geschäftsführerin des Großversandhauses Baur Burgkunstadt, die Karl-Heinz Oswald unter der Überschrift

Schokoladenseite eines Autostopps

schildert (hiervon auszugsweise):

„… Das Kronacher Stadtoberhaupt ist immer wieder per Autostopp zu Verhandlungen bei der Regierung von Oberfranken in Bayreuth gefahren. Auch für Reisen nach München hat Popp vielfach den Nulltarif gewählt, um den Stadtsäckel zu schonen. … Konrad Popp stand wieder einmal an der Autobahnauffahrt in München-Freimann. Da hielt ein „riesiger Schlitten“ – wenn die Erinnerung nicht trübt, dürfte es ein 6-Liter-Pullman von Mercedes-Benz gewesen sein. „Wohin wollen Sie? Wir können Sie mitnehmen!“ sagte der Fahrer. „ Nach Kronach im Frankenwald möchte ich.“ Da drehte eine Dame im Fond das Fenster herunter und meinte lachend: „Sag' halt gleich, dass Du der Konrad bist.“ „Ja, freilich, und Du bist die Kathi.“ Daß der Gesprächsstoff im feudalen Wagen nicht ausging, versteht sich am Rande. In Burgkunstadt hätte Popp aussteigen wollen, doch Frau Baur entschied gleich in Freimann Kronach als Zielort. Vor dem historischen Rathaus der Lucas-Cranach-Stadt gab es dann am Abend noch einen kleinen Disput über die Fahrtkosten. Konrad Popp wollte sich natürlich nichts schenken lassen, gerade von der Kathi nicht. Das ziemte sich nicht, und in solchen Fällen zückte das Stadtoberhaupt stets den eigenen Geldbeutel. Und Kathi Baur wiederum konnte doch dem Konrad keine Rechnung stellen, wie sie dies selbstverständlich auch in keinem anderen Fall getan hätte.

Dass der Handel dann doch zu einem Ergebnis kam, lag in der Tatsache, dass sich Konrad Popp einer Tafel Schokolade in seiner Manteltasche erinnerte. Dass sie schon angebrochen war, tat der Freude von Frau Baur keinen Abbruch. „Ich dank' Dir schön, Konrad.“ „Ich dank' Dir auch, Kathi, laß Dir's gut schmecken.“ Der Tag war anstrengend und lang gewesen, der Bürgermeister aber kehrte noch für einige Zeit an seinen Schreibtisch zurück. Das erleuchtete Fenster des Dienstzimmers im ersten Stock gab dem Bürger die beruhigende Gewissheit, dass das Stadtoberhaupt wohlbehalten wieder daheim war. So sind sie gewesen, die Kathi Baur und der Konrad Popp und viele andere in unserem Land. Ihr Beispiel leuchtet uns voran.“

Nach Karl-Heinz Oswalds (1989) lag der Vorgang ca. 3 ½ Jahrzehnte zurück, ist also in die erste Hälfte der 1950er Jahre zu datieren.

Kronach, 16. Dez. 2014
Verfasser: Manfred Raum
Quellen: Fränkischer Heimatkalender 1989, Coburg 1989
Zeitschrift des Vereins 1000 Jahre Kronach e.V., Heft 12/1995